Burnout Syndrom und dessen Prävention im Team

von Daniel Hannig

Seit Mai 2019 ist das Burnout Syndrom auch von der World Health Organisation (WHO) offiziell als Krankheit anerkannt. Ein Grund mehr, sich damit zu beschäftigen, was genau unter einem Burnout gemeint ist und wie man zur Prävention beitragen kann.

“The land of burnout is not a place I would like to go back to”– Arianna Huffington

Das Gefühl zunehmender Erschöpfung und Lustlosigkeit im Beruf ist einem großen Teil der arbeitenden Bevölkerung bekannt. Das passiert ganz besonders in Phasen, in denen das Arbeitsaufkommen hoch und die Möglichkeit zur Erholung gering ist.

Wann spricht man von Burnout?

Treten solche Phasen häufiger auf oder sind sie sogar der Normalzustand in diesem Beruf, intensivieren sich auch die dazugehörigen Symptome. Diese entwickeln sich möglicherweise in starke Schlafstörungen und/oder Depressionen und können im schlimmsten Fall in einem Nervenzusammenbruch enden.

Der Nervenzusammenbruch ist der Kulminationspunkt des Burnout Syndroms. Er tritt vermehrt in Berufen des sozialen Umfeldes (z. B. Krankenpflege, Erziehung, Sozialarbeit) auf, beschränkt sich aber keineswegs nur auf dieses Berufsbild. Ausschlaggebende Faktoren für den Eintritt des Burnouts sind berufsunabhängig und auf bestimmte Umstände zurückzuführen – Beispiele können sein:

  • Unangemessener Zeitdruck
  • Unklare Vorstellungen bezüglich der Arbeit
  • Ungleiche Behandlung
  • Fehlende Kommunikation am Arbeitsplatz

Das Burnout Syndrom tritt nicht von heute auf morgen ein, sondern entwickelt sich über einen Zeitraum von 6 Monaten bis hin zu mehreren Jahren. Deshalb sollte man, noch bevor die ersten Symptome auffällig werden, präventiv tätig werden. Die Durchführung dieser präventiven Maßnahmen obliegt natürlich hauptsächlich der betroffenen Person selbst. Aber selbstverständlich kann und sollten Personen im engen Umkreis der Betroffenen, egal ob privat oder beruflich, während des Prozesses unterstützend tätig werden.

Unter anderem können Manager in ihrer Funktion viel dazu beitragen, dass die Symptome sich zurückbilden oder erst gar nicht auftreten. Eine hochwertige, 3-teilige Gallup Studie von Ben Wigert und Sangeeta Agrawal zum Thema ”Employee Burnout” erklärt im Detail, welche Gründe es für einen Burnout geben kann und wie man ihn, auch als Arbeitgeber oder Manager, verhindern kann. Zunächst ergibt es jedoch Sinn, einen kurzen Blick auf die Definition des Begriffes zu werfen.

Burnout Syndrom – Definition

Die amerikanische Psychologin und emeritierte Professorin (Berkeley) Christina Maslach hat in ihrem Buch “Burnout: The Cost Of Caring”, den Begriff maßgeblich geprägt und ihn auf drei Hauptkriterien gestützt:

  1. Emotionale Erschöpfung
  2. Depersonalisierung
  3. Eingeschränkte Leistungsfähigkeit

Insbesondere wurden bei Betroffenen eine distanzierte und zynische Haltung im Beruf und gegenüber Mitmenschen festgestellt. Das führte dann zu generellen Zweifeln bezüglich der persönlichen Erfolgstauglichkeit und Sinnhaftigkeit der Arbeit. Maslachs Begriff, der sich stark auf das Kriterium der emotionalen Erschöpfung fokussiert, wurde seitdem erweitert und umfasst heute weitere geistige und körperliche Symptome.

Die World Health Organisation klassifiziert seit 2019 das Burnout Syndrom ebenfalls offiziell als eigenständige Krankheit im beruflichen Umfeld. Sie definiert das Syndrom in der aktualisierten Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD 11) als ein Gefühl des Ausgebranntseins. Dieses resultiere aus chronischem Stress am Arbeitsplatz, der unter anderem zu einer negativen Einstellung zum Job und geringerer Leistungskraft führen könne.

Was tun für die Prävention vor Burnout Syndrom?

Laut der oben genannten Gallup Studie zum Thema Burnout sind Führungskräfte für die Förderung positiver Mitarbeitererfahrungen und das Ansprechen von Stressfaktoren bei der Arbeit verantwortlich. Es sei ihre Pflicht,

  • klare Erwartungen zu setzen,
  • Barrieren abzubauen,
  • die Zusammenarbeit zu erleichtern und
  • sicherzustellen, dass sich Mitarbeiter stets unterstützt fühlen.

Nur so könnten Mitarbeiter auf der Arbeit ihr Bestes zu geben. Gibt es da konkrete, umsetzbare Ansatzpunkte? Ja, auf jeden Fall.

1. Psychologische Sicherheit im Team

Viele der oben aufgelisteten Probleme lassen sich reduzieren, indem man psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz schafft. Das gilt für Probleme wie

  • ein zu hohes Arbeitsaufkommen,
  • keine klare Verteilung der Rollen,
  • fehlende Sinnhaftigkeit der Arbeit oder
  • das Gefühl, keine Ansprechpartner zu haben.

Mit “psychologische Sicherheit” ist gemeint, dass Mitarbeitende sich innerhalb ihres Teams sicher genug fühlen, um sich verwundbar zu machen. Denn wenn sich Mitarbeitende nicht sicher fühlen, wird es ihnen schwerfallen, etwa neue, risikobehaftete Ideen zu äußern oder von Symptomen zu erzählen, die auf ein bevorstehendes Burnout Syndrom hinweisen könnten.

Mitarbeitende erleben oft, dass Fehler immer (unsachgemäße) Kritik nach sich ziehen, oder dass neue, vielleicht etwas unorthodoxe Ideen stets belächelt und nicht weiter erforscht werden. Wenn das so ist, gehen diese Mitarbeitenden sicher eher davon aus, dass sie mit ihren gesundheitlichen Problemen im Team auf taube Ohren stoßen.

words on whiteboard

Daher ist es so wichtig, dass Mitarbeitende eine niedrige Hemmschwelle haben, Kolleg*innen um Hilfe zu bitten, etwa dann, wenn das Arbeitsaufkommen zu hoch wird. Das passiert eher, wenn Mitarbeitende

  • vom Team Feedback bekommen,
  • auf ihre Kolleg*innen und Vorgesetzten zugehen können und
  • sich nicht für ein misslungenes Projekt schämen müssen.

Personen, die gute Erfahrungen dieser Art gemacht haben, werden auch kein Problem damit haben, den Chef anzusprechen. Denn manchmal wissen Führungskräfte vor lauter Arbeit selber gar nicht, wie viel sie dem einzelnen Mitarbeiter aufgetragen haben.

Die Implementierung psychologischer Sicherheit kann auf vielfältige Weise erfolgen und ist ein Thema für sich. Mehr Informationen finden Sie auch in unserem Blogartikel zu Psychologischer Sicherheit in Teams.

Zusätzlich empfehlen wir diesen Artikel von Herbert A. Meyer (HU Berlin), Mathias Wrba und Thomas Bachmann: Psychologische Sicherheit: Das Fundament gelingender Arbeit im Team (2018).

2. Echte Freizeit und weniger E-Mails

“Die Schlauen ruhen sich mindestens genauso viel aus, wie sie arbeiten.”― Mokokoma Mokhonoana

Praxisnahe Vorschläge zur Burnout Prävention macht Jen Fisher, Managing Director bei Deloitte USA. Unter anderem akzentuiert sie, wie wichtig Wochenenden und Urlaube für die Gesundheit der Mitarbeitenden sind.

Eine Studie von Deloitte ergab, dass fast 30% der Teilnehmenden auch am Wochenende “viele Stunden” arbeiteten. Weniger als die Hälfte (43%) gaben an, dass sie alle ihre Urlaubstage nutzten. Selbst diejenigen, die es täten, schauten immer noch in ihre E-Mails oder nähmen Anrufe entgegen, anstatt einen sauberen Bruch von der Arbeit zu machen. Dieser saubere Bruch ist jedoch essenziell für die Erholung und sollte von Unternehmen nicht nur erlaubt, sondern gefördert werden, so Fisher.

Daimler setzt dieses Prinzip schon seit fünf Jahren auf radikale Weise um: E-Mails, die an Mitarbeitende im Urlaub adressiert sind, werden einfach gelöscht. Absender werden dann darüber informiert, dass die E-Mail gelöscht wurde. Zusätzlich erhalten sie den Hinweis, dass die Möglichkeit besteht, eine Kollegin oder einen Kollegen zu kontaktieren oder aber die E-Mail erneut zu versenden, wenn der Mitarbeitende wieder im Büro ist.

3. Mehr Wohlbefinden

Im Rahmen der Umfrage von Deloitte gaben 28% bis 32% der Befragten Maßnahmen zur Reduzierung von Burnout an. Genannt wurden zum Beispiel:

  • Flexible Arbeitszeiten,
  • mehr Urlaub,
  • unternehmensinterne Unterstützungsprogramme,
  • Bürogesundheits- und Wellnessprogramme,
  • bezahlter Urlaub für psychische Gesundheit oder
  • Erholungstage.

Für Unternehmen, denen das Budget von Deloitte nicht zur Verfügung steht, gibt es jedoch auch alternative, kostengünstige Methoden um Wohlbefinden zu erhöhen und das Burnout Syndrom Risiko verringern. Selbst in kleineren Unternehmen kann man Maßnahmen für Mitarbeiterwohlbefinden effektiv und kostengünstig implementieren.

So brauchen wir beispielsweise für unseren optionalen Meditationskurs jeden morgen lediglich ein Smartphone und 13 Minuten Zeit. Unser Meetingraum fungiert ebenfalls als Gemeinschaftsraum mit einem Kickertisch und einer Playstation für Mitarbeiter, die mal einen Gang runterschalten, oder gegen Shin in Fifa verlieren wollen.

yoga on rooftop

Vorbildfunktion der Führungskräfte

Als Manager kann man sich auch aktiv beteiligen, indem man beispielsweise selbst solche Maßnahmen einführt oder zumindest regelmäßig Kurse besucht, die das Wohlbefinden erhöhen.

Eine separate Studie von Deloitte besagt, dass 31% der Befragten ihre direkten Vorgesetzten als größten Einfluss auf ihre Zufriedenheit erachten. Wenn die Mitarbeiter sehen, dass selbst der Chef alles kurz stehen und liegen lässt um an einem Meditations- oder Yogakurs teilzunehmen, dann fühlen sie sich wohler, dasselbe zu tun.

Wenn allerdings der direkte Vorgesetzte den Yogakurs als “Humbug” oder “unnützes Hippie Gedöns” abstempelt, dann demotiviert das nicht nur die Mitarbeiter die Lust darauf haben oder es tatsächlich brauchen. Es schadet auch der oben genannten Psychologischen Sicherheit im Unternehmen.

Zusammenfassend lassen sich folgende Punkte festhalten:

  1. Sorgen Sie als Vorgesetzter dafür, dass Ihre Unternehmenskultur einen sehr hohen Wert auf psychologische Sicherheit setzt und
  2. Setzen Sie selber in Ihrer Vorbildfunktion das Zeichen, dass es in Ordnung ist mal ab und an einen Gang runter zu schalten und Persönliches dem Professionellen den Vorrang zu lassen.

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