360-Grad-Feedback – 6 Stufen zur perfekten Feedback-Kultur
Entwicklung ist das A und O für jedes Unternehmen. Bei der unternehmensinternen Weiterentwicklung ist 360-Grad-Feedback hierfür eine große Stütze, vor allem für Führungspositionen.
Was ist 360-Grad-Feedback?
Das 360-Grad-Feedback schließt, wie es der Name bereits verrät, einen Kreis um eine Person. 360-Grad-Feedback ist eine aus dem Prinzip der Multiperspektivität heraus entwickelte Feedback-Methode, mit Hilfe derer die Kompetenzen und Leistungen einer Führungs- und Fachkraft aus unterschiedlichen unternehmensinternen wie auch externen Quellen sowie der Eigenperspektive eingeschätzt und verglichen werden sollen. Die Betrachtete Person würde also von einer ranghöheren, einer rangniedrigeren, einer Gleichgestellten und von einer Kontaktperson außerhalb der Organisation Feedback bekommen. Der Grund dafür ist folgender: Circa 80 Prozent der Arbeitszeit einer Führungs- oder Fachkraft verbringt diese in Gesprächen und Meetings mit Personal, Vertrieb, Verwaltung und QA oder mit Kunden und Mitarbeitern. Echte Schlüsse über Verhalten, Arbeitsweise und Erfolg der Führungskraft lassen sich daher für den eigentlichen direkten Vorgesetzten oft kaum ziehen, da er nicht ständig an den zu beurteilenden Arbeitsprozessen teil hat. In der Konsequenz erfüllen Feedbackgespräche dann nicht die gewünschten Ziele.
„Wer auf andere Leute wirken will, der muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen reden.“ – Kurt Tucholsky
Das 360-Grad-Feedback nimmt sich dieser Problematik an und verfolgt einen anderen Ansatz: Neben der Selbsteinschätzung werden eigenes Verhalten und eigene Kompetenzen aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Der Führungs- oder Fachkraft kann so schnell und effizient dabei geholfen werden, das persönliche Verhalten und die eigene Performance zu verbessern. Wie schätzen Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte die Führungskraft ein? Wo weichen diese Einschätzungen von der Selbsteinschätzung der Führungskraft ab? Mit Hilfe von 360°-Feedback können erfolgversprechende Empfehlungen zur Verhaltensänderung ausgesprochen werden.
Wie wird 360-Grad-Feedback abgegeben?
360-Grad-Feedback umfasst mehrere verschiedene Dimensionen der Beurteilung. Abzufragende Aspekte zur Einstufung der beurteilten Person können zum Beispiel sein:
- Kommunikationsfähigkeit
- Führungsstil / Führungskompetenz / Entscheidungsfähigkeit
- Zusammenarbeit / Management
- Kritik- und Konfliktverhalten
- Fachkompetenz / Lernfähigkeit
- Unternehmerisches / strategisches Denken
- Innovationsstreben
- Fähigkeit zur Delegation
- Aufgaben- und Zielorientierung / Motivation
- Produktivität
- Leistungs-/Ergebnisorientierung
- Teamgeist
Diese und viele andere Dimensionen müssen an die jeweilige Unternehmensstruktur und -kultur angepasst werden. 360°-Feedbacks sind immer verschieden und keines besteht aus all den oben genannten Dimensionen. Vielmehr handelt es sich hierbei um die üblichen Themenbereiche, derer sich ein Unternehmen bedienen kann um ein 360-Grad-Feedback zu gestalten. Je nach der Schwerpunktsetzung des aktuellen Projekts können die verschiedenen passenden Dimensionen in die Gestaltung mit einbezogen werden.
Warum 360-Grad-Feedback?
Vorteile:
Um die Frage zu beantworten, ob es sich aus unternehmerischer Sicht lohnt, 360-Grad-Feedback in die unternehmensinternen Arbeitsabläufe zu implementieren, müssen die Vor- und Nachteile gegeneinander aufgewogen werden. Die Vorteile des 360-Grad Feedbacks im Vergleich zum klassischen “One Way”-Feedback sind zahlreich:
✔ Potenzialausschöpfung
Durch die Rundumbetrachtung der Führungskraft lässt sich ein deutlich umfassenderes Bild schaffen. Die Stärken und Schwächen werden aus allen Perspektiven herausgestellt, was das Potenzial, welches im betrachteten Mitarbeiter schlummert, schneller erkennbar macht. Damit ist ebenfalls erkennbar in welchen Bereichen ein Mitarbeiter sich weiterentwickeln sollte. Außerdem zeigt sich dadurch, wo es für einen Mitarbeiter langfristig hingehen kann. Eine ideale Voraussetzung für erfolgreiches Leadership Development.
✔ Höhere Objektivität
Durch die Betrachtung aus mehreren Perspektiven wird eine höhere Objektivität in der Kritik erzielt. In der subjektiven Bewertung durch Einzelne tritt häufig der sogenannte “Halo-Effekt” auf. Der Halo-Effekt ist ein Beurteilungsfehler, bei dem einzelne Eigenschaften einer Person (Attraktivität, Behinderung, sozialer Status) einen positiven oder negativen Eindruck hinterlassen, der die weitere Wahrnehmung der Person überstrahlt und somit den Gesamteindruck unverhältnismäßig beeinflusst. Dieser Fehler und andere etwaige subjektive verfälschte Beobachtungen werden durch die Multiperspektivität ausgeglichen und korrigiert. Durch die Vielzahl der Meinungen lässt sich ein umfassendes und objektives Gesamtbild der Arbeitsweise und des Verhaltens von Fach- und Führungskräften erstellen. So wird nicht nur die eigene Einschätzung des betreffenden Mitarbeiters beleuchtet, auch die Meinungen des gesamten Arbeitsumfeldes fließen mit ein. Zwischen Selbst- und Fremdbild bestehen oftmals erhebliche Diskrepanzen. Das 360-Grad-Feedback berücksichtigt diese und bezieht sie in die Gesamtbeurteilung ein. Fach- und Führungskräfte können ihr Verhalten und ihre Arbeitsweise signifikant besser steuern und optimieren.
✔ Erhöhte Akzeptanz
Auch wenn nicht jeder es zugeben möchte: Kritik annehmen fällt nicht leicht. Durch die Beurteilung mehrer Kollegen und Personen ist es für die Führungs- und/oder Fachkraft deutlich leichter, mit der geäußerten Kritik umzugehen und diese nicht persönlich zu nehmen. Auch die Anonymität in der Beurteilung trägt dazu bei.
✔ Nutzen für den Mitarbeiter
Die Beurteilung mehrerer Personen aus den verschiedenen Bereichen des Unternehmens führt zusehends dazu, dass der Beurteilte einen besseren Eindruck davon bekommt, worauf es im Unternehmen im Gesamten ankommt. Im Gegensatz dazu bleibt die Erkenntnis beim One-Way-Feedback häufig auf den eigenen Einsatzbereich der Führungs- oder Fachkraft eingeschränkt.
Nachteile:
Trotz dieser genannten Vorteile wird auch nicht selten Kritik am 360-Grad-Feedback geäußert. Die am häufigsten genannten Nachteile sollten in der Entscheidung auf jeden Fall berücksichtigt werden.
✘ Zeitlicher Aufwand
Im direkten Vergleich zur Durchführung klassischer Mitarbeitergespräche – bei dem der Mitarbeiter lediglich vom direkten Vorgesetzten beurteilt wird – ist eine 360-Grad-Bewertung deutlich zeitintensiver. Im Vorfeld müssen die Bewertungskriterien abgestimmt werden und im Nachhinein alle Beurteilungen ausgewertet werden. Wird eine Software eingesetzt, reduziert sich dieser Zeitaufwand jedoch deutlich.
✘ Beziehungsbewertung
Ebenfalls wird kritisiert, dass durch die Bewertung durch alle Beteiligten nicht die Führungskraft, sondern deren Beziehung zu den Feedback-Gebern beurteilt wird, was ein verfälschtes Urteil erzeugen könnte.
✘ „Schönheitswettbewerbe”
Eine negative Auswirkung, die es zu verhindern gilt, ist, dass das 360-Grad-Feedback zu Anpassertum und „Schönheitswettbewerben“ unter den Führungskräften führt. Hierbei könnte fälschlicherweise die konstruktive Kritik nicht zur Potenzialoptimierung, sondern zur Anbiederung an die Mitarbeiter zweckentfremdet werden.
✘ Anonymität
Trotz der Vorteile, die die Anonymität für das 360-Grad-Feedback mit sich bringt, wird diese auch häufig als Kritikpunkt angeführt. Diese wird in Frage gestellt, da sie der Lösung der Probleme oftmals im Wege steht. Durch die Anonymität können zum Beispiel ‘Racheakte’ auf unbeliebte Mitarbeiter verübt werden was natürlich nicht Sinn der Mitarbeiterbeurteilung ist.
Die 6 entscheidenden Stufen für 360-Grad-Feedback:
Die Effizienz einer Methode hängt auch immer von ihrer optimalen Durchführung ab.
Um 360-Grad erfolgreich am Arbeitsplatz zu implementieren, ist es wichtig, die richtigen Schritte zu gehen und die am meist verbreitetsten Fehler zu vermeiden. Die Vorzüge von 360-Grad-Feedback entfalten sich nur, wenn es vernünftig und mit Bedacht implementiert wird.
Mit diesen sechs essentiellen Stufen können die häufigsten Fehler vermieden und das 360-Grad-Feedback erfolgreich eingeführt werden.
Stufe 1: Die richtige Kommunikation
Es ist wichtig, jede Änderung, die am Arbeitsplatz stattfindet, den Mitarbeitern und Kollegen zu kommunizieren. Die Änderungen am Feedback-System, die im Zuge der Implementierung von 360-Grad-Feedback eingeführt werden, betreffen jedes Mitglied des Teams. Daher müssen alle Teammitglieder ausreichend und detailliert informiert werden.
Die Angestellten müssen sich der Änderungen bewusst und ebenso gewillt sein, diese auch umzusetzten, um einen Erfolg zu erzielen. Die erste Hürde bei der Implementierung von 360-Grad-Feedback für Unternehmen ist daher die richtige Kommunikation. Vor allem Sinn und Zweck, die Durchführung, und die Probleme, die mit Hilfe des 360-Grad-Feedbacks gelöst werden sollen, müssen an die Mitarbeiter vermittelt werden.
Action Step:
Vor der Implementierung sollte ein unternehmensweites Meeting abgehalten werden, um klarzustellen wie das neue Tool genutzt werden wird und warum es nützlich ist. Ebenfalls sollte kontinuierlich über die Feedback-Kultur im Unternehmen gesprochen werden.
Stufe 2: Regelmäßigkeit
Feedback sollte ein konstanter und in Echtzeit durchgeführter Prozess sein. Es ist nicht effektiv, 360-Grad-Feedback als ein Feedback-Event einzuführen, das nur einmal im Quartal oder sogar nur einmal im jährlichen Review von statten geht. In der heutigen Arbeitswelt ist es sehr wahrscheinlich, dass Mitarbeiter mit verschiedenen Kollegen und Teams aus allen möglichen Unternehmensbereichen an mehreren Projekten zeitgleich zusammenarbeiten. Daher ist es vorteilhaft Feedback in Echtzeit von eben diesen Kollegen zu erhalten, mit denen man eng zusammenarbeitet. Genau wie beim Kundenfeedback hilft ein kontinuierlicher Fluss an Feedback aus verschiedenen Perspektiven , einen sinnvollen und nützlichen Überblick über die eigene Performance und das eigene Arbeitsverhalten zu erlangen.
Action Step:
Probleme können vermieden werden indem 360-Grad-Feedback als kontinuierlicher Prozess implementiert wird. Hierzu können verschiedene Tools genutzt werden, die es möglich machen, das Feedback zu jeder Zeit per Smartphone oder online während oder auch außerhalb der Arbeitszeit zu übermitteln.
Es ist wichtig den Vorgang so zu implementieren, dass er nahtlos in die bisherige Arbeitsroutine der Mitarbeiter eingebaut werden kann. So kann er anschließend leichter als tägliche Arbeitspraxis wahrgenommen werden, und nicht als in Intervallen aufkommende Aufgabe.
Stufe 3: Zweckhaftigkeit
Es muss klar sein, warum der Schritt, 360-Grad-Feedback im Unternehmen zu implementieren, gewählt wurde. Ein neues Feedback-System einzuführen ist nur sinnvoll, wenn es einen klaren Sinn und Zweck für die Einführung gibt. Zu häufig werden Entscheidungen über Veränderungen am Arbeitsplatz getroffen, ohne dass sowohl die Entscheidungsträger als auch die Mitarbeiter, die von der Entscheidung betroffen sind, überhaupt verstehen warum man diesen Schritt gehen möchte. Änderungen einzuführen ohne ein echtes Bedürfnis dafür zu haben oder dieses Bedürfnis auch den Mitarbeitern vermitteln zu können erschwert es massiv, diese bei der Umsetzung an Bord zu holen und die Veränderungen erfolgreich zu meistern.
Action Step:
Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mitarbeiter über die Veränderungen am Feedback-System informiert werden, muss der Zweck dahinter klar sein. Wird das Feedback für Entwicklung genutzt? Um Fortschritt und Zielerreichung zu messen? Oder um die generelle Kommunikation zwischen den Mitarbeitern zu verbessern?
Egal welche Frage hier zutrifft, dies sollte nicht nur vor der Implementierung des neuen Feedback-Systems an die Mitarbeiter kommuniziert werden, sondern ebenfalls sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter ausreichend geschult sind, um das neue Tool zu nutzen und somit konstruktives und nützliches Feedback zu geben, das zur Erreichung der gewünschten Unternehmensziele führt.
Stufe 4: Anonymität
Beim Anwenden von 360-Grad-Feedback ist es von immenser Wichtigkeit, klar zu stellen, was anonym bleibt und was nicht. Die optimale Gratwanderung zwischen Anonymität und offener Diskussion ist ein Schlüsselfaktor um dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter wohl fühlen, um sinnvolles Feedback abgeben zu können.
Action Step:
Als Unternehmen müssen die Regeln der Feedback-Kultur klar definiert sein. Ist es komplett anonymisiert oder ist alles mit dem eigenen Namen unterzeichnet? Wie auch immer die Entscheidungen hier fallen oder bereits etabliert sind, diese Regeln müssen auf das implementierte 360-Grad-Feedback angewendet werden.
Stufe 5: “Face-to-Face” beibehalten
Ein häufig auftretender Fehler bei der Implementierung von 360-Grad-Feedback ist, dass es als Ersatz für die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht wahrgenommen wird. Feedback-Tools sollten aber nicht statt, sondern entlang von Feedbackgesprächen genutzt werden, um den Prozess zu optimieren, nicht um ihn zu ersetzen.
Action Step:
Die neue Feedback-Kultur endet nicht dann, wenn sichergestellt ist dass das neu implementierte Tool auch von allen Mitarbeitern genutzt wird. Es müssen weitere Schritte getan werden, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Um eine offene Feedback-Kultur zu etablieren, sollte der Entscheidungsträger als Beispiel vorangehen und Feedbackgespräche in regelmäßigen Abständen abhalten, in denen Lob und Verbesserungsvorschläge ausreichend kommuniziert werden.
Stufe 6: Konsequenzen
Damit 360-Grad-Feedback sinnvoll ist, muss der betrachteten Person auch die Möglichkeit gegeben werden, auf die Evaluation und das erhaltene Feedback entsprechend zu reagieren. Der Feedbackprozess ist nicht bereits abgeschlossen, wenn das Feedback gegeben wurde. Es müssen auch die richtigen Konsequenzen daraus gezogen werden.
Action Step:
Jedes erhaltene Feedback muss von Meetings gefolgt sein, in denen der Fortschritt und die Entwicklung der Beurteilten überprüft werden. Möglich sind Mitarbeitergespräche oder Teammeetings mit offenen Diskussionen. Es ist zu prüfen ob die Beurteilten auch entsprechend ihrer erhaltenen Kritik handeln, sich dieser stellen und zu Herzen nehmen, um sich weiterzuentwickeln.
Fazit
Von Nichts kommt Nichts. Für den Erfolg von 360-Grad-Feedback müssen einige Weichen gestellt werden: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, der Fragenkatalog inhaltlich überzeugend und der Zweck klar definiert ist, stellt 360-Grad-Feedback ein starkes Tool für die Weiterentwicklung von Fach- und Führungskräften dar. Auch wenn 360-Grad-Feedback gute und intensive Vorbereitung und den richtigen Umgang benötigt, kann es für jede Führungskraft von immenser Wichtigkeit sein.