Recruiting der Zukunft – Wie HR auf Corona reagiert hat

von Daniel Hannig

Langsam aber sicher kehrt das Leben wieder zur Normalität zurück: Spielplätze und Parks sind für Besucher geöffnet, die örtlichen Friseursalons und Restaurants sind wieder in Betrieb, und die Büros lassen ihre Angestellten wieder zum Arbeitsplatz zurückkehren, wenn auch unter strengen Vorsichtsmaßnahmen. Aber was hat sich verändert und wie können wir diese Veränderung zu unserem Vorteil nutzen? Im HR-Bereich hat Corona die Wahrnehmung vieler Unternehmen gegenüber bisher etablierten Prozessen verändert. Es werden nun die Notwendigkeit dieser Prozesse in Frage gestellt und alternative Vorgehensweisen ausprobiert. Wir beschreiben in diesem Artikel, wie das Recruiting der Zukunft möglicherweise aussehen wird.

Für unseren Podcast über das Recruiting der Zukunft, interviewte Jonas, unser Head of People, Jamie Rogers von Darwin Recruitment. Jamie hat im Vorfeld 100 Unternehmen im Kölner Raum zu diesem Thema befragt. Die Recherche zu diesem Thema brachte viele neue und inspirierende Erkenntnisse, die wir heute gerne teilen möchten. Den vollständigen Podcast kann man sich hier ansehen.

„Benutzen Sie Zoom?“ statt „Wir lassen Sie einfliegen“

Vorstellungsgespräche per Videoanruf sind nichts Neues, insbesondere wenn die Bewerber weit weg leben und ein Besuch des potentiellen Arbeitsplatzes mit sehr hohem Aufwand verbunden wäre. In den letzten Monaten waren Videoanrufe für uns jedoch die einzige Option, und die damit verbundenen Vorteile sind dadurch sehr deutlich geworden. Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Um 11 Uhr morgens soll ein Bewerber interviewt werden. Der Mitarbeiter, der das Interview führt, verlässt den Schreibtisch 10 Minuten vor Beginn des Interviews, um dieses vorzubereiten und den Besprechungsraum von den Kaffeetassen und dem Besteck zu räumen, welches die vorherige Gruppe dort hinterlassen hat. Nach dem Vorstellungsgespräch geht der Mitarbeiter in die Küche, trifft dort einen Kollegen an und unterhält sich darüber, wie das Wochenende verlaufen ist und warum Leute nicht in der Lage sind, ihr eigenes Besteck wegzuräumen. Um 12 Uhr kehrt der Mitarbeiter an den Schreibtisch zurück. Das Vorstellungsgespräch selber dauerte nur 25 Minuten. Interviews vorort sind zwar persönlicher, aber sie nehmen auch viel Zeit in Anspruch und lenken die Mitarbeiter stärker ab, weil sie sich von ihrem Schreibtisch “lösen” müssen. Video-Interviews hingegen erfordern lediglich, dass die Teilnehmer einen neuen Browser-Tab öffnen. Der Wiedereinstieg in den Rhythmus des Arbeitsalltags nach dem Interview ist deshalb einfacher, weil er nur einen Klick entfernt ist. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass Video-Interviews aufgezeichnet, und die Antworten anschließend überprüft, oder für Unterrichtszwecke verwendet werden können. Dies ist natürlich auch bei Live-Interviews möglich, setzt aber voraus, dass Sie im Sitzungsraum eine Kamera aufstellen, was oft merkwürdig wirken würde und die Authentizität des Interviews beeinträchtigt.

Was sind die Nachteile? Vor allem sind die meisten Unternehmen nicht von Videointerviews überzeugt, weil sie unpersönlicher sind als das klassische Face-to-face. Darüber hinaus verlangen viele Bewerber sogar, zum Vorstellungsgespräch ins Büro eingeladen zu werden. Der Grund dafür ist, dass sie die Büroräume sehen, die Leute kennenlernen und den tatsächlichen Arbeitsweg mal antreten wollen. Alleine schon, um zu schauen wie lange der Arbeitsweg von Tür zur Tür dauert, lohnt sich für viele bereits das Interview im Büro.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Rolle von Videointerviews für das Recruiting der Zukunft muss aus mehreren Perspektiven betrachtet werden. Die Vorteile von Video-Interviews reichen von einer stärkeren Fokussierung der Mitarbeiter, bis hin zu einem effektiveren Follow-up und einer besseren Bewertung; der Nachteil ist, dass Videoanrufe unpersönlicher sind und dem Bewerber die Möglichkeit verwehren, das Büro und die zukünftigen Mitarbeiter kennenzulernen. Außerdem besteht für die Bewerber keine Möglichkeit sich mit dem täglichen Arbeitsweg vertraut zu machen.

Ist jetzt der beste Zeitpunkt, um Mitarbeiter einzustellen?

Der Ausbruch des Coronavirus hat den Arbeitsmarkt auf den Kopf gestellt. Früher gab es für Arbeitnehmer, und somit auch für Recruiter, einen Überschuss an Unternehmen und Möglichkeiten. Heute ist der Arbeitsmarkt so gut wie leergefegt. Hinzu kommt, dass die Nachfrage an Arbeitsplätzen, aufgrund von Unternehmen die ihre Mitarbeiter entlassen mussten, bemerkbar angestiegen ist. Genau diese generell unvorteilhafte Lage kann für manche Unternehmen allerdings einen Vorteil darstellen: Wenn man zuversichtlich genug ist, dass das eigene Unternehmen COVID-19 unbeschadet übersteht und dass das eigene Geschäftsmodell nicht langfristig durch Corona beeinträchtigt wird, könnte man darüber nachdenken, jetzt so viele Neueinstellungen wie möglich vorzunehmen, bevor sich der Markt vollständig erholt. Der Grund dafür ist, dass es momentan keinen Wettbewerb auf einem Markt gibt, der normalerweise sehr stark umstritten ist. Die Unternehmen die sich dazu entscheiden diesen Schritt zu gehen, müssen aber auch dazu bereit sein, die Talente mit mehr Offenheit und Ehrlichkeit zu begegnen als sonst. Gerade jetzt werden potenzielle Bewerber unbequeme Fragen stellen wollen wie: „Haben Sie im Zuge der COVID-19 Krise Mitarbeiter entlassen müssen, wenn ja, wie viele?”, oder: „Welche Garantie können Sie mir geben, dass meine Position hier in Krisenzeiten sicher ist und können Sie das mit Zahlen belegen?”. Unternehmen die bereit sind, ihre Zahlen offenzulegen und zeigen können, dass sie stabile und zuverlässige Arbeitgeber sind, können dies, insbesondere heute, als wertvolles Alleinstellungsmerkmal nutzen, um Spitzenkräfte anzuziehen.

Zusammenfassend: Der sogenannte „War for Talent“ ist nun zu einem vorübergehenden Stillstand gekommen. Wenn Ihr Unternehmen stark (oder risikobereit) genug ist, können Sie diesen Stillstand zu ihrem Vorteil machen.

Das Recruiting der Zukunft – (Noch) Mehr Vertrauen

Es bleibt nun die Frage offen, welche Lehren der Bereich des Recruiting aus alledem ziehen kann? Welche neuen Ideen können Unternehmen umsetzen, wenn der sogenannte „War for Talent“ zurückkehrt?

Wie so oft liegt die Antwort im Vertrauen, das Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern und potentiellen Mitarbeitern entgegenbringen. Die o.g. Offenlegung von Zahlen ist nur der Anfang. Wenn man als Arbeitgeber den Bewerbern zeigen und kommunizieren kann, dass man seinen Mitarbeitern stets, aber insbesondere in Krisenzeiten, viel Vertrauen schenkt, dann wird sich das bei der Entscheidungsfindung der Bewerber positiv auswirken. Beim Thema Home-Office kann man hier besonders punkten. COVID-19 hat vielen Unternehmen gezeigt, dass Home-Office in den meisten Fällen genauso effektiv ist wie das Arbeiten im Büro. Nach Corona werden womöglich viele Unternehmen das Konstrukt des Home-Office als permanente Option für ihre Mitarbeiter aufnehmen. Und warum auch nicht? Es gibt viele Angestellte, die nun zum ersten Mal Home-Office hatten und es gut fanden. Nimmt man diesen Mitarbeitern den Vorteil nun wieder weg, wirft das ein sehr negatives Bild auf das Unternehmen, insbesondere wenn andere Firmen die Option des Home-Office weiterführen. Die Unternehmen, die Home-Office nach Corona, trotz der guten Erfahrung, ablehnen, kommunizieren ihren Mitarbeitern eines: Dein Arbeitsplatz traut Dir nicht zu, unbeaufsichtigt zu arbeiten, obwohl die letzten zwei Monate bewiesen haben, dass Du voll dazu in der Lage bist. Eine eher unvorteilhafte Aussage, wenn man die eigene Kultur auf gegenseitigem Vertrauen bauen will. Mehr über die Vor- und Nachteile des Home-Office findest du hier.

Kurzgefasst: Wenn Sie Mitarbeitenden und potentiellen Mitarbeitenden zeigen wollen, dass Sie als Arbeitgeber in der Krise gewachsen sind, dann tun Sie dies, indem Sie Vertrauen vermitteln. Fernarbeit als dauerhaften Vorteil anzubieten (vorausgesetzt, Sie haben gute Erfahrungen gemacht), kann ein effektiver Weg sein, dies zu tun.

Was hat sich für das Recruiting der Zukunft verändert?

Vor Corona wurden viele Vorhersagen zum Thema Recruiting und dessen Zukunft getroffen. Diese Vorhersagen sind immer noch relevant; AI wird nach wie vor einen großen Einfluss auf die Arbeitsweise von HR haben, bessere Technik bedeutet immer noch bessere Zusammenarbeit und besseren Output und der Mensch wird weiterhin den Mittelpunkt der Human Resources darstellen. COVID-19 hat lediglich den Fokus auf Themen gerichtet, die uns davor schon bekannt waren und die meisten Unternehmen haben diese Themen aufgegriffen und erfolgreich umgesetzt. Insbesondere im Bereich des Home-Office und des gegenseitigen Vertrauens zwischen Unternehmen und Mitarbeiter, wäre es schade, wenn das alles umsonst geschehen wäre.

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